Wasserschlacht im Baumhaus

Waren das herrliche Sommer! Damals, als wir uns noch nicht mit Terminen, Steuererklärungen, Einkäufen und Autoreparaturen herumschlagen mussten. Als die Samstage noch nicht dem Hausputz gehörten. Als uns die warme Sonne noch nicht zu elendigen Schweißausbrüchen, sondern zu körperlichen Höchstleistungen anspornte. Als wir nach der Schule nichts eiligeres zu tun hatten, als die Wasserpistolen aus ihrem Winterschlaf zu wecken und im Garten wilde Wasserschlachten auszutragen.

Es waren die Zeiten, als das Leben noch ein Abenteuer war. Ich erinnere mich besonders an einen Tag: Wir trafen uns mit sechs Freunden nach der Schule, es war Mai und die Sonne brannte schon ziemlich sommerlich herunter. Zu jenen Zeiten war es an solch einem Tag selbstverständlich, bis zur Abenddämmerung draußen die frische Luft zu genießen. Wir liefen also in den angrenzenden Wald und entdeckten das alte Baumhaus, welches wir im vergangenen Herbst, kurz bevor das Wetter endgültig schlechter wurde, noch gebaut hatten.

Schnell war ein Plan gefasst: Wir teilten uns in zwei Gruppen, verteilten die vorhandenen Wasserpistolen und schwärmten aus. Jede Mannschaft hatte eine Stunde Zeit, ein Lager zu errichten – danach sollte Krieg herrschen. Wer nass wurde, schied aus.

Innerhalb kürzester Zeit liefen wir zu Höchstform auf: Mein Team kletterte in die vorhandenen Reste des Baumhauses, welches unser Lager sein sollte und begann sogleich mit der Ausbesserung. Wir legten einen Wall aus Baumstämmen und herumliegenden Ästen an, durch den der Feind nicht dringen konnte. Innerhalb des Lagers errichteten wir aus quer ineinandergesteckten Ästen kleine Hütten, die uns vor den Wasserstrahlen des Gegners schützen sollten. Kleine Ritzen und Löcher im Gebälk störten gar nicht, konnten im Gegenteil ideal als Schießscharten herhalten. In der Nähe des Lagers floß ein kleiner Bach – kurz überlegten wir, einen Seitenarm zu graben, um Wasser in unser Lager umzuleiten und so direkt an der Munitionsquelle zu sitzen. Doch die Stunde Vorbereitungszeit war bereits um, der Feind konnte jeden Moment auftauchen.

Unterdessen war die gegnerische Gruppierung in den Wald verschwunden. Wir hatten keine Ahnung, wo sie ihr Lager errichten wollten und das wurde uns zum Verhängnis: In einem weiten Bogen hatten sie unser Baumhaus umrundet und waren unbemerkt in unseren Rücken geraten.

Im Garten stand seit Jahren ein Kinderspielhaus mit Rutsche und Schaukel und einem kleinen Turm, aus dem wir eigentlich herausgewachsen waren. Dieses alte Kinderspielhaus hatte die feindliche Mannschaft der Einfachheit halber zu ihrem Lager erklärt. Es war perfekt geeignet: Umgeben von Holzwänden hatte man im kleinen Turm des Kinderspielhauses gleichzeitig perfekte Deckung und konnte nebenbei durch kleine Fenster herausschauen. Von ihrem Aussichtspunkt im eigenen Garten hatten die Gegner einen perfekten Blick Richtung Waldesrand und konnten uns, die wir mit der Ausbesserung des Baumhauses beschäftigt waren, die ganze Zeit über beobachten.

Der Feind musste nur abwarten: Irgendwann, deutlich mehr als die vereinbarte Stunde war bereits vergangen, wurde es uns zu langweilig und wir beschlossen, die gegnerischen Spieler auf eigene Faust zu suchen und in ein Wassergefecht zu verwickeln. So schlichen wir also los, die Wasserpistolen gefüllt, zunächst am Rande des Baches entlang, tiefer in den Wald hinein, wo der Gegner jüngst verschwunden war.

Während wir so schlichen uns suchten, kam der Feind allerdings zu uns: Die gegnerischen Kämpfer verließen ihr Kinderspielhaus in dem Moment, als sie uns davonschleichen sahen. Sie nahmen unser verwaistes Baumhaus mit einem Streich ein, machten sich über unsere Süßigkeitenvorräte her und vertrieben sich die Zeit mit weiteren Reparaturarbeiten.

Als wir schließlich wiederkamen von unserem erfolglosen Feldzug, erwartete uns eine böse Überraschung: Die müden Kämpfer wurden in ihrem eigenen Lager vom Feind überrascht, der aus der Sicherheit des hohen Baumhauses und aus den kleinen, eigenhändig angelegten Bunkern das Feuer auf uns eröffnete.

Das Gefecht dauerte nicht lang. Mit dem Baumhaus haben wir allerdings noch einige Jahre Spaß gehabt. Und das Kinderspielhaus wird von meinen Kindern noch heute genutzt.

Irgendwann kommt im Leben eines Menschen der Punkt, wo man nicht mehr im Wald spielen, sondern “spazieren” geht. Dann ist man erwachsen.

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